Blue Zones werden Regionen bezeichnet, in denen Menschen angeblich überdurchschnittlich alt werden. Der Begriff wurde von dem amerikanischen Autor und Forscher Dan Buettner und seinen Kollegen geprägt, als sie im Jahr 2004 verschiedene Regionen der Welt untersuchten, in denen Menschen besonders alt werden sollen. Sie identifizierten fünf Hauptgebiete: Okinawa (Japan), Sardinien (Italien), Ikaria (Griechenland), die Nicoya-Halbinsel (Costa Rica) und Loma Linda (Kalifornien, USA).
In diesen Blue Zones soll eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Hundertjährigen leben. Buettner und sein Team beobachteten die Lebensgewohnheiten der Menschen in den Gebieten und identifizierten gemeinsame Faktoren, die als “Geheimnis der Hunderjährigen” vermarktet wurden. Dazu zählen unter anderem eine pflanzenbasierte Ernährung, regelmäßige Bewegung und starke soziale Bindungen.
Während das Konzept der Blue Zones viel positiven Anklang fand, ist es auch immer wieder in die Kritik geraten. Mehrere Forscher haben Zweifel an der wissenschaftlichen Grundlage und Methodik geäußert, mit der die Blue Zones identifiziert und analysiert wurden. Es wird hinterfragt, ob die Langlebigkeit tatsächlich auf die genannten Lebensgewohnheiten zurückzuführen ist oder ob es sich um fehlerhafte Daten und selektive Beobachtungen handelt.
Kritik am Blue Zones Mythos: Sind die Daten wirklich belastbar?
Die aktuelle Kritik am Blue Zones Mythos wurde von dem britischen Wissenschaftler Saul Justin Newman erstellt und durch die Auszeichnung mit dem Ig-Nobelpreis im September 2024 populär. Dabei sind zwei Dinge wichtig zu wissen:
- Der Ig-Nobelpreisverleihung ist eine Spaß-Auszeichnung. Diese wird jährlich von einer in Cambrige erscheinenden Satire-Zeitschrift vergeben. Geehrt werden sollen wissenschaftliche Forschungsergebnisse, die “erst zum Lachen und dann zum Denken anregen”.
- Saul Justin Newman kommt in seiner Arbeit zu dem Ergebnis, dass es vor allem in Regionen besonders viele alte Menschen gibt, in denen Geburten und Todesfälle sehr schlecht dokumentiert sind.
Die Studie von Saul Justin Newman untersucht die Glaubwürdigkeit von Altersangaben in den Blue Zones, in denen angeblich besonders viele Menschen ein hohes Alter erreichen. Dabei fand er heraus, dass viele dieser „Supercentenarian“-Aufzeichnungen Fehler wie fehlende Geburtsurkunden und statistische Unregelmäßigkeiten aufweisen. Newman unterstützt mit seinen Ergebnissen die Annahme, dass die Blue Zones Mythos sind und ihre Popularität vor allem auf einer geschickten Vermarktung beruht und weniger auf soliden wissenschaftlichen Beweisen. Er
argumentiert, dass Faktoren wie Armut, schlechte Gesundheitsversorgung und sogar Betrug bei Pensionsansprüchen eine Rolle spielen könnten.
Hinweis: Diese Veröffentlichung von Newman wurde noch keiner Qualitätskontrolle durch ein Peer-Review-Verfahren unterzogen, beim dem wissenschaftliche Arbeit von unabhängigen Wissenschaftlern geprüft werden. Seine Ergebnisse unterstützen allerdings schon frühere Kritiken, die ebenfalls darauf hinwiesen, dass die Anzahl der Hundertjährigen in den Blue Zones nicht überprüfbar sei.
Die Langlebigkeit ist dort am höchsten, wo Menschen in Armut leben und Todesfälle schlecht dokumentiert werden. Beide Faktoren steigern die Wahrscheinlichkeit für Rentenbetrug und das damit nur scheinbare hohe Alter vieler in Wirklichkeit schon verstorbener Menschen.
Wichtiger als Langlebigkeit: Lebensqualität im Alter
Trotz der Kritik am Blue Zones Mythos bleibt ein Aspekt unbestritten: Die Menschen in den Blue Zones sind nicht nur alt, sie sind im Alter auch gesund und aktiv. Dabei geht es nicht ausschließlich um das Erreichen eines hohen Alters, sondern um die Qualität des Lebens im Alter. In den Blue Zones gibt es weniger Fälle von chronischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes, und die Menschen scheinen körperlich und geistig länger fit zu bleiben.
Dieser Fokus auf die Lebensqualität wird von vielen Wissenschaftlern unterstützt. Denn auch wenn die absolute Langlebigkeit der Menschen in den Blue Zones infrage gestellt wird, die zugrunde liegenden Prinzipien – wie gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und soziale Bindungen – sind durch zahlreiche Studien belegt. Es ist also weniger der Mythos der “100 Jahre” wichtig, sondern vielmehr die Art und Weise, wie diese Menschen ihr Leben gestalten.
Die wissenschaftlichen Fakten hinter dem Blue Zones Mythos
Obwohl es Bedenken hinsichtlich der Datengenauigkeit gibt, decken sich viele der Empfehlungen aus den Blue Zones mit den Erkenntnissen moderner Gesundheitsforschung. Der Verzehr von hauptsächlich pflanzlichen Lebensmitteln, regelmäßige Bewegung im Alltag und ein starkes soziales Netz sind wissenschaftlich als förderlich für ein langes und gesundes Leben anerkannt.
Studien zur Mittelmeer-Diät, die in vielen Blue Zones praktiziert wird, zeigen, dass eine Ernährung, die reich an Gemüse, gesunden Fetten und Vollkornprodukten ist, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmte Krebsarten senkt. Ebenso belegen wissenschaftliche Arbeiten, dass soziale Isolation im Alter ein entscheidender Risikofaktor für viele gesundheitliche Probleme ist, während starke soziale Bindungen und regelmäßige soziale Interaktionen das Wohlbefinden steigern.
Fazit: Der Blue Zones Mythos und die Wissenschaft
Es spielt keine Rolle, dass die Blue Zones Mythos sind. Der Lebensstil, der Longevity fördert – gesunde Ernährung, Bewegung, Schlaf und psychisches Wohlbefinden – ist unabhängig davon wissenschaftlich belegt.
Auch wenn der Blue Zones Mythos möglicherweise auf wackeligen Daten basiert, bleibt die Kernbotschaft wertvoll: Ein aktiver Lebensstil, gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und starke soziale Kontakte sowie ein Sinn im Leben fördern ein gesundes und glückliches Leben – unabhängig davon, ob man das 100. Lebensjahr erreicht oder nicht. Es ist die Kombination dieser Faktoren, die sowohl in den Blue Zones als auch in vielen wissenschaftlichen Studien als entscheidend für eine gute Lebensqualität im Alter angesehen wird.